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Karin Ehrlich

Onlinedating





Hallo und willkommen zurück zu meinem Blog!


Kennt ihr den Satz „Wenn deine Ansprüche so hoch sind, wirst du übrig bleiben“? - ein Satz, der vorrangig aus der Ecke der Generation der Großeltern und Eltern kommt. Ich bin über 40, habe keine Kinder und wohne in einem kleinen Dorf. Ich besitze zwei Katzen und war noch nie verheiratet. Ich erfülle somit sämtliche Klischees der „übrig gebliebenen“ Singlefrau. Und ich bin nicht totunglücklich darüber. Im Gegenteil. Ich habe sehr lange gebraucht, um ein erfülltes Leben zu führen, in dem ich das Singledasein nicht als Mangel erlebe. Ich habe sehr gute Freunde, engagiere mich für wunderschöne, soziale Projekte und erlebe mein Alleinsein nicht als Einsamkeit. Ich fühle mich vollständiger als je zuvor und ich glaube für mein Glück keine „bessere Hälfte“ zu brauchen.

Ja, ich gebe zu, ich habe den Zug verpasst, mir damals mit 17 den schönsten Jungbauern des Dorfes zu schnappen, um mit 22 Jahren zu heiraten und zwei bis drei Kinder zu bekommen. Mir war es wichtiger zu studieren, um die Welt zu reisen, mit meinen Freunden auszugehen und mich für Dinge zu interessieren, die den Rahmen des kleinbürgerlichen Denkens eines Dorfes definitiv sprengen. Aber ganz ehrlich – wie viele Paare kennst du, die nach 15, 20 oder 25 Jahren noch immer zusammen UND glücklich sind? Ich kenne zwei! Und sie selbst würden sagen, dass sie damit ein ziemliches Ausnahmepaar sind, die in ihrem gesamten Freundes- und Bekanntenkreis ein relatives Alleinstellungsmerkmal darstellen.


Wir sind in unserer Biologie und in unserem sozialen Charakter nicht dafür geschaffen, alleine zu sein. Wir haben Bedürfnisse, der Wunsch nach emotionaler Nähe, Intimität und Fortpflanzung liegt in unseren Genen. Auch ich sehne mich manchmal nach einem Partner, der mein Leben bereichern soll und mit mir meine Interessen teilt. Da gibt es nur ein Problem – die Welt des Datens ist verrückt! Wer mit Anfang 40 Single ist, hat zwar womöglich einen großen Pool an Freunden und Bekannten, nur keiner von denen möchte nach 19:00 Uhr das Haus verlassen, geschweige denn ausgehen. Das ist in diesem Alter schon lange vorbei. Also probiere ich mich im Onlinedating auf Anraten einer Freundin. Ich glaube im Jahr 2017 zum ersten Mal eine App heruntergeladen zu haben. Ich beginne gleich mit einer der bekanntesten Apps und ignoriere den Ruf dieses Datingportals und sämtliche Vorurteile darüber. Denn wir alle kennen eines dieser Tinder-Paare, die sich über diese App gefunden haben und nun verheiratet sind. Und ihr seid der Grund, weshalb auch ich mich immer und immer wieder mit diesen Dating-Apps versuche! Ich schweife schon wieder ab.

Ich erinnere mich noch sehr gut an den ersten Versuch im Jahr 2017 via Onlinedating einen Partner zu finden. Diese Apps sind so konzipiert, dass man bei den ersten Profilen Personen vorgeschlagen bekommt, die recht hoch im Kurs sind, sprich, viele Matches haben. Ich gehe davon aus, dass diese Statistik aufgrund ihres besonders ansprechenden Profils – bzw. - sind wir uns ehrlich – aufgrund ihrer Attraktivität besonders hoch in der Match-Quote sind. Dh. es entsteht sehr schnell der Eindruck in einem Pool an wunderschönen Menschen angekommen zu sein – hier werde ich fündig. Yes! Die meisten Apps haben auch noch irgendwo ein Herzchen oder eine Art Match-Highscore, als Symbol dafür, wie viele Likes man bekommt. Die Anzahl meiner Likes schießt massiv schnell in die Höhe – zwei, drei, vier, fünfundsiebzig Likes in wenigen Minuten! Ich bin eine Göttin! Endlich werde ich als diese anerkannt!


Doch nach wenigen Matches und Konversationen stellt sich ein merkwürdiges Gefühl beim Onlinedating ein und ich versuche das besonders plakativ und bildhaft zu zeichnen:


Onlinedating ist wie an einem wunderschönen Sommertag in einer Wiese zu marschieren und barfuß in einen Scheißhaufen zu steigen. Zuerst empfindet man ein wohlig warmes, weiches Gefühl an den Fußsohlen, schnell merkt man, dass irgendwas gewaltig zum Himmel stinkt.

Ich bringe zwei reale Beispiele aus meinen Erfahrungen, die die Untiefen und Unarten des Onlinedatings hervorbringen kann. Nach einer anfänglichen stundenlangen Konversation mit einem etwa gleichaltrigen Mann über Hobbies, Interessen, Werte, die vor Charme und Humor sprüht, ist erst mal Funkstille. Es vergehen ein paar Stunden, aber kein Grund zur Panik. Antworten, die bis zu 24 Stunden lang auf sich warten lassen – habe ich mir von Dating-App-Erfahrenen erklären lassen – geben noch keinen Grund zur Besorgnis. Wir nähern uns 22:00 Uhr, eine Nachricht erscheint auf dem Display. Na endlich, der tolle, charmante Mann schreibt zurück. Ich öffne die Nachricht und erblicke... ein dick pic!

Wie bitte? Hat er sich im Chat geirrt, was ohnehin schon sehr unsexy an sich wäre, aber habe ich irgendwelche Signale gesendet, die darauf schließen lassen, dass ich von einer tiefgründig, witzigen Unterhaltung auf dirty talk umsteigen möchte? Ich bin verwirrt und bekomme eine weitere Nachricht: „Kann ich auch ein Bild von dir haben?“ Ich erkenne schnell die wahren Intentionen des doch nicht so ehrenhaften Mannes. Ich mache ein Bild von meiner Katze und schicke es mit den Worten zurück: „Hier ist meine Pussy-cat“ plus Zwinker-Emoji. Noch bevor ich eine Erklärung einfordern kann, werde ich entmatcht. Pornoqueen Nayla hat wohl nicht beeindrucken können. Lach-Emoji.


Beispiel Nummer 2: ich bekomme Sekunden nach einem Match als Einstiegssatz „Bock auf f***en?“ (Originalzitat!). So, jetzt reicht's. Ich schreibe sofort zurück, ob dieser Mann mit diesen plumpen, derben Sexangeboten jemals Erfolg hatte. Die Antwort ist verstörend. „Ihr Frauen habt das so gewollt“. Mit dem Nachsatz, dass Emanzipation und Feminismus daran Schuld seien.

Häää? Ich entmatche den Mann kommentarlos. Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo das Niveau soweit gesunken ist, dass ich mich auf keine sinnlose Diskussion einlassen möchte.


Auf meiner Suche nach Antworten und Gleichgesinnten, durchforste ich soziale Medien. Vielleicht gibt es eine Lösung, wie Dating heutzutage funktioniert. Ich werde schnell fündig und nur noch desillusionierter. Es gibt unzählige Beiträge, Definitionen, Begriffe, Diskussionen, die im Kontext (Online-)Dating stehen. Worte und Hashtags wie „toxic“, „shaming“, „bashing“, „ghosting“, „situationship“, „narcissticabuse“, „mentalhealth“, „relationshiptips“ und noch unzählige andere Termini werden fast inflationär verwendet. (Selbsternannte) Love-Coaches geben Dating-Tipps und bieten Workshops an: in fünf Stufen zum Liebesglück. Verhaltens-Regeln und „love-rules“ für Dating werden von teils fragwürdig gehypten, männlichen und weiblichen, Coaches angeboten. An dieser Stelle möchte ich kurz anmerken, dass der Begriff „Coaching“ in vielen Ländern nicht geschützt und deshalb von Menschen ohne fundierte Ausbildung angeboten werden kann. Vorrangig richtet sich das Angebot an Frauen, die in diesem Dating-Dschungel die besonders Leittragenden sind.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir Frauen das Problem sind. Oder senden wir doch die falschen Signale aus? Oder müssen wir erst wieder lernen, „wie Männer ticken“? Ist Feminismus doch Schuld an der Misere? Sind wir Frauen zu einer Bedrohung für Männlichkeit geworden?

Ich möchte wirklich fair sein, denn ich kenne nun mittlerweile unzählige Geschichten von Männern, die ebenfalls davon berichten, dass Frauen sich ebenfalls alles andere als korrekt verhalten haben. Ich glaube wir Frauen und Männer bleiben uns nichts schuldig.


A good heart these days is hard to find True love, the lasting kind A good heart these days is hard to find So please be gentle with this heart of mine" Aus dem Song "A Good Heart" von Feargal Sharkey (1985)

Onlinedating sollte uns Menschen ursprünglich verbinden. Mann sucht Frau, Frau sucht Mann – entweder man mag sich oder nicht. Stattdessen ist hier ein Kampf zwischen den Geschlechtern entfacht und ich frage mich, ob Ersetzbarkeit eines Menschen beim (Online-)Dating ein Zeichen unserer Zeit ist. Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft und so gehen wir auch mit Menschen und Beziehungen um. Austauschbarkeit und Oberflächlichkeit zeichnen ein Bild von einer Dating-Welt, in der ich nicht sein möchte. Mein romantisches Herz strebt nach einer Welt, in der wir uns wieder mit Respekt, Herzlichkeit und Wertschätzung begegnen.

Deshalb BITTE! Seid lieb zueinander. Vergessen wir nicht, dass wir es mit richtigen Menschen und echten Gefühlen zu tun haben. Auch wenn das geschriebene Wort so viel einfacher erscheint, die Botschaft dahinter, kann dennoch sehr viel anrichten.


Die schier unerschöpfliche Fülle an potenziellen Partner:innen kann überfordern. Durch den Psychologen Barry Schwartz wurde das Phänomen der Paradox of Choice populär gemacht. Es besagt, dass durch eine Überfülle an Optionen, die durch Dating-Apps und soziale Medien bereitgestellt wird, es tatsächlich schwieriger wird, eine Entscheidung zu treffen. So wird befürchtet, durch eine Entscheidung für eine Person eine möglicherweise „bessere“ Option zu verpassen. In eine ähnliche Kerbe schlägt FOMO – Fear of Missing Out – die Angst davor, eine lohnende Erfahrung zu verpassen. Auch dieses Phänomen wird durch soziale Medien und der Darstellung von „idealen“ Beziehungen und Lebensstilen verstärkt. Es scheint also ein weit verbreitetes Phänomen zu sein, dass wir Menschen zögern uns festzulegen, in der Befürchtung, potenziell aufregendere oder erfüllendere Beziehungen und Erlebnisse zu verpassen.


Ich schließe nun dieses komplexe und für mich sehr ambivalente Thema „Onlinedating“ ab. Ambivalent deshalb, weil ich der recht pragmatischen Lösung durch Online-Datingportalen eine recht entromantisierte Welt sehe, aber gleichzeitig wunderschöne, bereichernde Begegnungen und Beziehungen mit Menschen hatte, die ich wohl im realen Leben nicht kennengelernt hätte. Es bleibt ambivalent. Genauso wie Onlinedating, mit dem ich nun endgültig - ich schwöre - wirklich durch bin. Obwohl letztens eine Freundin meinte, dass ich doch mal Parship ausprobieren sollte. Hmmm...


Ich beende diesen Blog nun mit den wunderschönen und ermutigenden Worten meines besten Freundes: „Für romantische Dates braucht es Glück, Mut und Geduld.“



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