Magisch
Magisch
Mit diesem Wort verbinde ich ein wundervolles, einzigartiges, beindruckendes, herzerwärmendes Erlebnis, ein Moment der Kraft gibt, Hoffnung macht und der mir ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
Magische Momente haben einen Seltenheitswert, deshalb sind sie so besonders. Ich werde dir einige Beispiele aus meinem Leben geben, um dir eine Vorstellung für meinen Begriff von „magisch“ zu geben.
2016 war ich mit einer Reisegruppe von 8 Personen und einem Guide in Island auf Wanderreise. Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe, bestehend aus Frauen und Männern im Alter von 25 bis 65 Jahren. Island ist ein sehr faszinierendes Land. Mit seiner Weite und Farbenpracht, mit seiner beindruckenden Natur und Tierwelt, seinen liebenswerten Menschen gehört Island definitiv zu meinen schönsten Reisen, die ich erleben durfte. Nach 3 Wochen wandern in Nässe, Kälte, Sonne, Eis, Schnee, Wind, Rauch und Schwefel, in Mooslandschaften, auf Vulkanen, in Gletscherschluchten, in „Herr der Ringe“-ähnlichen Landschaften, die – wie mein Reisetagebuch besagt – ich „noch nie zuvor in meinem Leben gesehen habe“ – wird die 8-köpfige Wandertruppe in Menschen eingeteilt, die sich mögen oder eben nicht. Es entstehen Gruppierungen unterteilt in „die Netten“ oder „die anderen“ – wir Menschen sind halt so.
Jens, ein Mann Mitte/Ende 40, der wirklich alle Klischees des typischen deutschen Touristen erfüllt, ist leidenschaftlicher Hobbyfotograf und dafür bekannt, dass er gerne an vorderster Front wandert, um als Erster die besten Bilder (ohne Menschen) zu bekommen. Nicht nur, dass er sich damit unbeliebt macht, sich in eines unserer Bilder zu drängen, welche dadurch die traumhafte Kulisse gänzlich zerstört, nein, Jens schnarcht auch noch als Einziger schrecklich laut, was den Unmut der Gruppe, von Tag eins an, ohnehin auf sich gezogen hat.
Es muss Beginn der zweiten Woche gewesen sein, wir sind seit Stunden unterwegs, irgendwo im Nirgendwo, um einen Gletscher zu besichtigen. Ich kann mit Eis und Schnee und Kälte nicht viel anfangen, aber Island hat mich bis jetzt noch nie enttäuscht. Wir wandern einen Trampelpfad in einem Waldstück entlang, es geht bergauf, es ist ein kalter Tag. Unser Guide wandert zielstrebig weiter, aber langsam frage ich mich: wo ist die Hauptattraktion? Ich werde ungeduldig, die Gruppe ist mir zu langsam und eigentlich möchte ich diesmal ein Foto erwischen, wo nicht Jens mitten im Bild steht mit seiner Topausrüstung an Fotoapparaten, Zoom-Objektiven und Weitwinkelobjekten. Also presche ich vor, es kann ja nicht mehr so weit sein, ich haste den Trampelpfad entlang und lasse die Gruppe hinter mir. Mittlerweile habe ich mir einen kleinen Vorsprung von wenigen Minuten erkämpft und streife durch einen Nadelbaumwald, der sich langsam lichtet. Und dann stehe ich davor: eine riesige Eislandschaft eröffnet sich mir. Ein Meer an hellblauen Eisbergen, teilweise überzogen von schwarzer Lava-Asche. Dahinter eine atemberaubende Kulisse aus moosüberzogenen, grünen Berglandschaften, darüber ein blauer Himmel mit bezaubernden, weißen Wölkchen. Ich stehe mit Ehrfurcht vor dieser surrealen Landschaft und finde keine Worte dafür was ich gerade empfinde bzw. vor mir sehe. Ich starre vor mich hin und denke keine Sekunde daran, meinen Fotoapparat oder mein Handy hervorzukramen. Ich lasse es auf mich wirken. Ich bin überwältigt von dieser Naturgewalt. Es ist magisch!
Es dauert nicht lange bis dieser Moment der Stille von einem Zoom-Geräusch und dem KLICK KLICK KLICK von Jens Super-Hightech-Kamera neben meinem Ohr unterbrochen wird. Aber ich bin einfach nur glücklich.
„Takk Fyrir Síðast" (Isländisches Sprichwort) Wenn Isländer eine gute Zeit zusammen hatten, sagen sie beim nächsten Treffen "Danke für letztes Mal". Sie danken der Person für die gute Zeit, die Sie das letzte Mal zusammen hatten.”
Ich berichte noch von einem weiteren Szenario. Zum 5. Geburtstag meines Neffen hatte meine Familie beschlossen, in den Wiener Prater zu fahren. Wir sind eine laute Familie. Wir schimpfen schnell, wir streiten schnell, wir sind eben Familie. Meine Eltern sind ein älteres Ehepaar, gezeichnet vom Leben. Mein Bruder, der Vater meines Neffen, ist ein redseliger Mensch, der gerne mal ein Bier trinkt und ohnehin alles besser weiß. Meine Schwester ist eine kluge, immer hübsch gekleidete, gestylte Frau, die etwas unnahbar wirkt. Mein Neffe ist ein schüchterner, leicht ängstlicher Typ, der mit seinen 5 Jahren schon der virtuellen Welt verfallen ist.
Wir brechen gemeinsam mit dem Familienhund, aufgeteilt in 2 Autos, Richtung Wien auf. Es ist heiß. Sehr heiß. Ein voller Prater mit lauten Zisch- und Hydraulikgeräuschen, vielen Menschen und meiner Familie, die mit großen Erwartungen dem Familientag entgegensehen, lässt ein gewisses Konfliktpotential erahnen. Angekommen, klappern wir eine Attraktion nach der anderen ab. Während meine Eltern von einer Parkbank zur anderen in den Schatten flüchten, beobachtet mein Bruder das Treiben mit einem Bier in der Hand nur von der Seite. Meine Schwester begleitet meinen Neffen in diesen witzig-spaßigen Familien-Labyrinthen, während ich mit ihm gemeinsam den Adrenalin-Kick auf Achterbahnen suche. Mein Neffe ist begeistert. Der Hund ebenfalls, denn bei jeder Wasserstation tummeln sich Unmengen an Stadttauben, die sich um das Wasser scharren. Nach zwei, drei Stunden macht sich eine gewisse Erschöpfung breit. Wir wälzen uns zu sechst durch die Menschmassen, warten auf unsere gebrechlichen Eltern, die hinterhertrotten, stehen in der Hitze vor den vollen Kassen und warten auf die nächste Fahrt. Und irgendwann ist er da – der Moment, wo wir als Familie auftreten. Kein Streit, keine bösen Worte, keine Ungeduld, keine Spur von Disharmonie. Wir machen Fotos voneinander, wir reißen Witze - nicht übereinander, sondern miteinander. Wir lachen, wir sind eine Einheit. Wir sind eine Familie und gehören zusammen. Es ist magisch.
Noch heute lassen diese Erlebnisse meine Augen glänzen, ich verspüre ein wohlig-warmes Gefühl von Freude und Glück, es sind diese seltenen magischen Momente, die mein Leben bereichern.
Hast du jemals persönlich Geschenke an ein rumänisches Kinderheim gebracht? In Anwesenheit der Kinder im Alter von 3 bis 15 Jahren? Wie sie ehrfürchtig mit leuchtenden Augen und voller Geduld darauf warten, die Geschenke öffnen zu dürfen? Dafür gibt es kein Wort. Nicht mal „magisch“ mag die Situation in Worte fassen zu können, die ich in diesen Momenten erleben durfte. Kinder, Verstoßene, Heimatlose, Zurückgelassene, junge Menschen, die in Armut und Entbehrung leben und trotzdem voller Dankbarkeit und in einem beispiellosen Miteinander erwachsen werden. Sie vermitteln uns in diesem Moment so viel Güte und Liebe, dass mir noch immer die Worte fehlen.
"Und vor allem, beobachte mit glitzernden Augen die ganze Welt um dich herum, denn die größten Geheimnisse sind immer an den unwahrscheinlichsten Orten verborgen. Wer nicht an Magie glaubt, wird sie nie finden." (Roald Dahl)
Wann hast du zuletzt einen magischen Moment erlebt? Was bedarf es, um für dich eine Situation „magisch“ werden zu lassen? In meinen persönlichen Erlebnissen habe ich Momente gewählt, die sowohl für mich alleine, als auch mit anderen Menschen „magisch“ geworden sind. Jeder Moment kann magisch werden, für dich, im Stillen, im Miteinander. Du wirst es fühlen, wenn der Moment gekommen ist. Finde diesen Moment.
Es gibt ihn – irgendwo da draußen.
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